Arbeiten mit einer Behindertenwerkstatt – Interview mit Flame2Fame

Flame2Fame ist ein Unternehmen aus Heidelberg, welches verschiedene Produkte aus der Musikbranche verkaufen. Sie produzieren und verkaufen mit sozialen und ökologischem Engagement. Das heißt, sie betreiben Upcycling für ihre Produkte und arbeiten zusammen mit Behindertenwerkstätten. Wir haben mit dem Co-Founder Christian Wegmann ein Interview darüber geführt, wie sie auf das spannende und schöne Geschäftsmodell gekommen sind und was sich andere Unternehmen davon inspirieren lassen können.

Christian Wegmann

Christian, erzähl uns doch einmal mit deinen Worten, worum es bei Flame2Fame genau geht. Wie ist es zu dieser Geschäftsidee gekommen?

Ich spiele in meiner Freizeit Bassgitarre und hatte mir Anfang Dezember 2019 einen Bass-Gurt aus Feuerwehrschlauch gewünscht. Leider habe ich auf dem Markt keinen gefunden und auch meine Bitte an einen bekannten Hersteller von Rucksäcken und anderen Gegenständen aus Feuerwehrschläuchen wollte mir nicht weiterhelfen. Ich bin daraufhin zu einer Feuerwehr gefahren, habe mir gebrauchte Schläuche geholt und habe mir meinen ersten Gurt von einem Schneider nähen lassen. Gedacht war dieser Gurt nur für mich, aber Freunde und Bekannte wollten plötzlich auch einen. So kam ich mit meinem Kollegen und Co-Founder Ashrafauf die Idee, diese in einer kleinen Serie zu produzieren.
Ursprünglich kommen Ashrafund ich aus ganz anderen Branchen, aus der IT und dem Investment und wir dachten uns beide, dass wir damit was Neues starten könnten. Uns war wichtig etwas Gutes zu tun mit unserer Geschäftsidee, also haben wir überlegt, die Produktion in eine soziale Einrichtung zu verlagern.
So kam es dann auch zum Kontakt mit der Lebenshilfe in Heidelberg. Wir hatten in sehr kurzer Zeit unsere erste Produktserie fertig und schnell kamen Anfragen aus aller Welt. Mittlerweile verkaufen wir nach Japan, in die USA, nach Europa und auch schon nach Südafrika.

Bei Flame2Fame geht es kurz gesagt um Upcycling und soziale Herstellung von Produkten für die Musikinstrumentenindustrie.

Warum habt ihr euch dazu entschieden, mit der Lebenshilfe zusammenzuarbeiten?

Wir haben uns vor der Idee mit dem Geschäft bereits mit sozialen Projekten befasst und gespendet.
Es ist eine schöne Sache zu spenden, aber man verändert nicht so viel. Uns fehlte die Inklusion benachteiligter Menschen. Dann kam der Schritt, dass wir einen Teil unserer Einnahmen aus dem Geschäft spendeten und daraufhin haben wir entschieden zusätzlich auch mit der Lebenshilfe zusammenzuarbeiten.

Die Lebenshilfe ist sehr professionell aufgestellt und bietet uns als Kunden Top-Qualität zu fairen Preisen. Die Mitarbeiter*innen sind super motiviert und leisten tolle Arbeit. Mittlerweile beschäftigen wir ja nach Auftragslage bis zu 30 Kollegen*innen. Da die Lebenshilfen miteinander verbunden sind, war es uns dann auch möglich, mehrere Produktionsstätten mit Aufträgen zu versorgen. Somit können wir auch skalieren und unsere Kunden unproblematisch beliefern. Es funktioniert im Grunde wie jede andere Produktion bei einem Lohnhersteller auch. Wir möchten aber einen Schritt weitergehen und eine eigene Inklusions-Werkstatt aufbauen, um in Zukunft mit der Lebenshilfe und unserer eigenen Produktion die vielen Aufträge abzuarbeiten.

Wie einfach oder wie schwierig fandet ihr es, euer aktuelles Geschäftsmodell mit der Lebenshilfe aufzubauen?

Mit der Lebenshilfe war es sehr einfach. Wir haben uns erstmal verschiedenen Werkstätten in der Umgebung angeschaut über die Webseiten und angeschaut, welche Angebote sie haben. Wir entschieden uns zunächst für die Lebenshilfe in Heidelberg, weil sie in unserer Nähe ist. Anschließend riefen wir da an, haben uns kennengelernt, konnten uns dann die Örtlichkeiten angesehen und waren überrascht, wie groß das Unternehmen ist, wie viele Menschen dort arbeiten und wie professionell alles durchgeführt ist. Wir haben dann, wie mit anderen Firmen auch, Abnahmemengen und Preise fixiert. Und nach ein paar Tests ging es dann auch schon los. Wir hatten auch ein Vergleichsangebot einer Schneiderei und festgestellt, dass es keinen großen finanziellen Unterschied gab. Dann kam die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen, die es uns allen nicht leichtgemacht haben, mit der Produktion fortzufahren. Aber es hatte dennoch funktioniert. Mittlerweile arbeiten wir auch mit mehreren Lebenshilfen zusammen.

Was kannst du anderen Klein- und Mittelständigen Unternehmen Empfehlen zu tun, wenn die Überlegung da ist, auch mehr Menschen mit Behinderungen einzustellen oder einen Weg, wie ihr ihn eingeschlagen habt, zu wagen?

Wichtig ist es, sich zu informieren. In Deutschland gibt es tolle Angebote sowohl für Menschen mit Beeinträchtigungen, als auch für Firmen wie uns. Der Dschungel der Vorschriften mag einen erst abschrecken, aber hierbei gibt es gute Beratungsangebote von der Agentur für Arbeit wie auch der Stadt bzw. dem Landratsamt.
Menschen mit Beeinträchtigung haben – zu Recht – einen besonderen Schutz in der Arbeitswelt. Dieser ist aber kein Hindernis für ein Unternehmen. Im Gegenteil, es gibt sogar Förderungen und Zuschüsse. Aber auch hier muss man sich genau informieren und planen, wie es in das Geschäftsmodell und die Finanzplanung passt.

Welche Hürden und Herausforderungen siehst du für Selbstständige, die gerne mit Menschen mit Behinderungen arbeiten wollen und wo habt ihr euch Unterstützung geholt?

Es gibt sehr viele Informationen und man muss schon genau planen, wie man so ein Projekt angeht. Unser Weg erstmal über einen „externen Dienstleister“ also der Lebenshilfe zu gehen, hat sich bewährt. Wir haben vorab sehr viel erfahren und gelernt und sind somit für einen eigenen Betrieb besser vorbereitet. Am besten ist es sich bei der Agentur für Arbeit zu informieren oder auch bei der Stadt, der Gemeinde und beim Landrat anfragen, welche Möglichkeiten es in der Region gibt. Anfangs war es auch für uns eine Recherchearbeit, aber es hat sich gelohnt.

Was sind (Gedanken-)Barrieren im Umgang mit motorisch eingeschränkten Menschen, die du gerne aus der Welt schaffen würdest?

Die Vorurteile. Oftmals herrscht ja der Eindruck, die Qualität der Arbeit wäre nicht so gut, man könne keine Stückzahlen erreichen oder die Menschen mit Beeinträchtigungen würden ausgenutzt.
Das Halbwissen, welches Spektrum von Möglichkeiten es gibt, ist gefährlich. Einige sehen Menschen mit Beeinträchtigungen nur als Belastung für die Firma und übersehen den Mehrwert, den jeder Mensch mit sich bringt. Viele haben auch ein Voruteil bezüglich der Arbeitsverträge, wenn man Menschen mit Behinderung einstellen will und da kann ich nur sagen, dass man sich vorher einfach informieren sollte, wie wir es taten. Denn es ist alles machbar.

Was bedeutet Inklusion für dich?

Dass alle Menschen, egal von welcher Herkunft, Geschlecht, Fähigkeiten, Religion zusammenkommen ohne Vorurteilen. Inklusion sollte mehr in die Unternehmen eingebunden werden.

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